In den 1980er Jahren bildeten sich zunächst oft innerhalb der Friedensbewegung erste Frauengruppen, um in einem männerdominierten Umfeld Gehör zu finden. Solche informellen Gruppen bildeten seit den späten 1980er Jahren eine autonome Frauenbewegung mit dem 1989 gegründeten Unabhängigen Frauenverband (UFV) als Dachverband. Doch der frauenpolitische Aufbruch reagierte zur »Wendezeit« nicht mehr nur auf patriarchalische Strukturen in der DDR, sondern auch auf die im Rahmen der Wiedervereinigung befürchteten wirtschaftlichen und rechtlichen Rückschritte, so z.B. im Fall des §218. Viele der frauenpolitischen Errungenschaften wurden im Einigungsvertrag 1990 nicht übernommen, auch wirtschaftlich traf der Umbruch besonders die Frauen in Ostdeutschland hart.
Der westliche, theorielastige Feminismus schien dabei von der Lebenswirklichkeit vieler »Ostfrauen« genauso weit entfernt wie das konservative Familienleitbild der BRD. So gab es zwischen Ost- und West-Frauenbewegung nach 1989 vor allem eine große Sprachlosigkeit und wenig Vernetzung.
In offenen Gesprächsrunden mit »Ostfrauen« verschiedener Generationen sollen Fragen diskutiert werden wie: Wie erlebten Frauen die Umbruchzeit in Ostdeutschland? Gab es überhaupt eine Frauenbewegung in der DDR? Wie war ihr Verhältnis zur westdeutschen und ihre Rolle innerhalb des demokratischen Aufbruchs? Ist die Geschlechterfrage als eine gesamtgesellschaftliche, über Partikularinteressen hinausreichende zu behandeln – und ist diese Perspektive möglicherweise eine spezifisch ostdeutsche? Welche Bezüge lassen sich zur Gegenwart herstellen, so z.B. aktuell die Women’s Marches?
Mittwoch, 24.04.2019, 18 Uhr
»Alle Frauen sind mutig! stark! schön!«
Frauen und Frauenbewegung in Ostdeutschland 89/90+
Open Talk mit
Annett Gröschner | Schriftstellerin, Journalistin und aktiv in der Frauenbewegung 89/90+
1964 in Magdeburg geboren, lebt seit 1983 in Berlin. Studium der Germanistik in Berlin und Paris. 1989 Mitglied der autonomen Frauengruppe lila offensive und Mitbegründerin des Unabhängigen Frauenverbandes der DDR sowie der Frauenzeitschrift Ypsilon. Seit 1997 freiberufliche Schriftstellerin, Journalistin und Dozentin. Sie schreibt Romane, Erzählungen, Essays, Sachbücher, Theaterstücke, Radiofeatures und Reportagen. 2000 erschien ihr Roman Moskauer Eis, 2011 der Roman Walpurgistag. Zuletzt: Berolinas zornige Töchter. 50 Jahre Berliner Frauenbewegung (2018). Seit 2012 Gastperformerin im Stück Schubladen von She She Pop. 2013 Mitbegründerin des Frauenblogs Ich. Heute. 10 vor 8 auf www.faz.net, seit 2015 als 10 nach 8 auf ZEITonline. www.annettgroeschner.de
Katrin Gottschalk | stellvertretende Chefredakteurin, taz
Seit April 2016 stellvertretende Chefredakteurin der taz und dort verantwortlich für die digitalen Projekte. Vorher Chefredakteurin des Missy Magazine. 1985 in Dresden geboren und aufgewachsen. Schreibt über Kultur, Feminismus und Ostdeutschland. Abschlussarbeit im Bachelor Kulturwissenschaften zur Aneignung öffentlicher Räume und im Master Kulturjournalismus zur Frauenbewegung in der DDR und der ostdeutschen Zeitschrift weibblick.
Annette Maennel | Heinrich-Böll-Stiftung und aktiv in der Frauenbewegung 89/90+
In Dresden aufgewachsen, hat sie als Therapeutin gearbeitet und in einem Pantomine-Theater gespielt. 1986 ist sie als Model nach Berlin zu Mode nach Maß und Sibylle gewechselt, hat Malerei und Grafik ausgestellt und journalistisch zu schreiben begonnen. Dabei hat sie auch die Bekanntschaft mit den Redakteurinnen der Zeitschrift Ypsilonund dem Unabhängigen Frauenverband (UFV) gemacht. 1992 hat sie die Zeitschrift weibblick unter dem Dach des UFV aus der Taufe gehoben und von A&R (Akquise & Redaktion) über H (Herstellung) bis Z (Zustellung) betreut, am späten Abend die »Journalisten-Weiterbildung« an der FU belegt und über Frauen als Inoffizielle Mitarbeiterinnen des MfS geforscht. 2000 hat sie zum ersten Mal weibblick als E-Zine platziert, bis der Betreiber des Servers samt Projekt verschwunden war. Der zweite Anlauf, weibblick als E-Magazin mit Archiv aufzubauen, folgte 2012. Seit 2001 ist sie bei der grünen Heinrich-Böll-Stiftung beschäftigt und heute Leiterin der Kommunikation und dabei weiterhin skeptisch gegenüber allen »-ismen« geblieben.
Moderation | Sophie Schulz
Freitag, 26.04.2019, 18 Uhr
Frauen und Frauenbewegung in Ostdeutschland 89/90+
Biografischer Abendsalon mit
Astrid Landero | Leiterin des Frauenzentrums Paula Panke und aktiv in der Frauenbewegung 89/90+
Geboren 1954 in Thüringen als Kind einer Parteifunktionärin und eines Betriebsleiters studierte sie später Gesellschaftswissenschaften. Sie arbeitete zunächst bei der FDJ und seit Mitte der 1980er Jahre als Redakteurin beim DDR-Jugendradio. Seit den späten 1980er Jahren ist sie aktiv in verschiedenen interkulturellen und Frauen-Initiativen, die besonders in der »Wendezeit« Unterstützung und Orientierungshilfe boten. So auch das Frauenzentrum Paula Panke e.V., gegründet 1990 von Vertreterinnen des Runden Tisches in Pankow, das sie von Beginn an begleitete und dessen Leiterin sie heute ist.
Moderation | Sophie Schulz
Das Format Erzählsalon rückt die individuelle Lebensgeschichte und persönliche Perspektiven in den Fokus. Auch das Publikum ist eingeladen, eigene Geschichten und Erfahrungen zu teilen.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe forum 89/90+, die sich mit den innovativen und emanzipatorischen Potenzialen der Umbruchszeit in Ostdeutschland 89/90+ beschäftigt.