Paul Graham, a shimmer of possibility, 2018
Die Trips, die Paul Graham für das Fotokompendium a shimmer of possibility durch die U.S.A. – seit 2002 die Wahlheimat des gebürtigen Briten – unternahm, scheinen genauso mäandern wie die verschiedenen Genres an Fotografie, derer er sich bedient. Landschaftsaufnahmen, Porträts, Straßenszenen, Close-ups und Stillleben machen das Werk, bestehend aus zwölf individuellen Fotobüchern, aus. Die Größe der Bücher, das Thema des amerikanischen Alltags der 2000er Jahre sowie das Konzept der fotografischen Kurzgeschichte liegen allen zwölf Serien zu Grunde, jedoch variiert die Seitenanzahl, von einer einzigen Fotografie bis hin zu 60 Seiten.
a shimmer of possibility gilt als eines der prägenden Fotobücher des 21. Jahrhunderts. Im Jahr 2012 ausgezeichnet mit dem Paris Photo-Aperture Prize für das bedeutendste Fotobuch, welches in den letzten 15 Jahren veröffentlicht wurde, war die erste Edition nach nur zehn Wochen ausverkauft.
Doch was genau macht dieses Werk zu einem der bedeutendsten Fotobücher?
Die Fotografien zu dem Buch entstanden, indem Graham Wohngegenden in Massachusetts, Pennsylvania und Louisiana oder Städte wie New York, Las Vegas und New Orleans ablief, um Personen und Szenerien zu fotografieren, die ihm ins Auge fielen. Als bildwürdig erachtete er dabei beispielsweise eine ältere Dame, die ihre Post reinholt; ein Close-up von Händen, die einen Styroporbecher halten; ein Paar, aus einem Supermarkt kommend; Jugendliche, die Basketball spielen; einsame Figuren, die eine geschäftige Straßenkreuzung überqueren sowie Landschaftsaufnahmen. Als gekonnter und unbemerkter Beobachter fing Graham die Profanität des tagtäglichen amerikanischen Lebens auf eine lebendige, einfühlsame und vor allem auch ästhetische Art und Weise ein.
Doch sind es nicht nur diese Fotografien, mit ihren gewöhnlichen Bildsujets und der darin liegenden Verbildlichung der kleinen Freuden des normalen Lebens, die für den Erfolg der Serie sprechen, sondern auch die Komposition der einzelnen Fotografien zu einzelnen Serien.
So folgt die Anordnung der Fotografien in den zwölf Bücher nicht einem klassischen Aufbau mit Anfang, Höhepunkt und Ende, sondern ist bewusst offen durch Bildsequenzen zusammengefasst; Die Gegenüberstellung der Fotografien in den Büchern, folgt weder einer Chronologie noch einem Thema. Durch das Abdrucken in unterschiedlichen Größen und die zuweilen asymmetrische Positionierung auf den Seiten werden die Fotografien subtil aus ihrem eigentlichen Kontext herausgehoben und zu einem offenen, narrativen Strang verwoben.
Susan Kismaric, fotografische Kuratorin des Museum of Modern Art (MoMA) in New York zieht treffend die Parallele zu Gedichten, denn so wie Sprache und Rhythmus Wörter, Zeilen und Strophen zu einer Idee strukturieren, verwendet Graham Nahaufnahmen, Parallelmontage und Gegenüberstellungen von Menschen und Natur, um übergreifende Erzählungen zu vermitteln.
So fasst Graham mit diesem Fotobuch die Fotografien fernab jeglicher Kategorisierungen oder eines statischen Begreifens durch verschiedene bildnerische Stilmittel als vieldeutigen Moment zusammen und schreibt ihnen derart einen Schimmer an Möglichkeiten ein, der im Auge des Betrachters liegt.
Die Fotobücher und ein Teil der Serie als Fotografien gehören seit 2020 zur stiftungseigenen Sammlung.
Maximiliane Kolle
Paul Graham (b. 1956 in Stafford, England) wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet, wie unter anderem mit dem Deutsche Börse Photography Prize, dem Guggenheim Fellowship und dem Hasselblad Award. Außerdem gewann er den ersten Preis des Paris Photo-Aperture Foundation PhotoBook Award für das beste Fotobuch der letzten 15 Jahre. Seine Arbeiten wurden im italienischen Pavillon der 49. Biennale von Venedig (2001), im nationalen Fotomuseum der Schweiz in Winterthur und in einer Einzelausstellung im MoMA in New York City ausgestellt. Er veröffentlichte unter anderem die Fotobücher Paris (2016), The Whiteness of the Whale (2015), Does Yellow Run Forever? (2014), The Present (2012), 1981 & 2011 (2012), Films (2011), a shimmer of possibility (2007), American Night (2003) und End of an Age (1999).