Roger Melis, Christa Wolf, 1968

Der ostdeutsche Fotograf Roger Melis begann seine Karriere nach einer Fotografielehre in Potsdam Ende der 1950er zunächst als wissenschaftlicher Fotograf an der Charité, einem Krankenhaus in Ost-Berlin. Etwa zur gleichen Zeit wurde Melis gebeten, deutsche Künstler*innen, Schriftsteller*innen und Sänger*innen für ein Buch zu fotografieren, aber das Projekt wurde bedauerlicherweise nie realisiert. Trotzdem wurden seine Fotografien damals weithin gefeiert und auf beiden Seiten der Berliner Mauer publiziert, was dazu führte, dass Melis Ende der 1960er Jahre beschloss das Krankenhaus zu verlassen, um ausschließlich als freiberuflicher Fotograf zu arbeiten.

Mehrere dieser Porträts, darunter ein eindrucksvolles Bild von Christa Wolf aus dem Jahr 1968, befinden sich in der Sammlung der Stiftung Reinbeckhallen. Auf dieser Schwarz-Weiß-Aufnahme ist die renommierte ostdeutsche Schriftstellerin zu sehen, wie sie in ihrer eigenen Wohnung mit gefalteten Händen an einen Stuhl gelehnt sitzt und den Fotografen und seine Kamera aufmerksam anschaut. Es ist eines von vielen Porträts, die Melis aufgenommen hat und die damals wie heute prominente Kulturschaffende der DDR ins Rampenlicht stellen.

Roger Melis
Christa Wolf
Silbergelatineabzug, 40 x 30 cm, 1968 © Nachlass Roger Melis

Nach dieser Aufnahme sollte Melis die nächsten zwei Jahrzehnte mit Aufträgen für Sibylle: Die Zeitschrift für Mode und Kultur, Neue Berliner Illustrierte, Wochenpost, Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und GEO verbringen. Er trug auch dazu bei, wie die Fotografie und die mit ihr verbundenen Menschen in Ostdeutschland behandelt wurden. So gründete er 1981 zusammen mit Arno Fischer die Arbeitsgruppe Fotografie im Verband Bildender Künstler der DDR, was dazu führte, dass die Fotografie als offizielle Kunstform anerkannt wurde und Fotograf*innen in Ostdeutschland im letzten Jahrzehnt dessen Bestehens mit größerer Autonomie arbeiten konnten.

Im Jahr 2019 organisierte die Stiftung Reinbeckhallen in Zusammenarbeit mit der LOOCK Galerie die Ausstellung Roger Melis – Die Ostdeutschen. Die von Mathias Bertram kuratierte Ausstellung zeigte Ephemera und über 160 Fotografien von Melis aus drei Jahrzehnten und ist damit die bisher umfassendste Ausstellung über den ostdeutschen Fotografen.

Dr. Candice M. Hamelin


Nach dem Fall der Berliner Mauer arbeitete Roger Melis (1940—2009 in Berlin) weiterhin im Auftrag und gab Kurse im Lette Verein Berlin. Seine Fotografien sind in den folgenden Sammlungen zu finden: The Metropolitan Museum of Art, New York City, USA; die Berlinische Galerie, Berlin, Deutschland; die Brandenburgischen Kunstsammlungen Cottbus, Cottbus, Deutschland; das Deutsche Literaturarchiv Marbach, Marbach, Deutschland; das Haus der Geschichte, Köln, Deutschland; und das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig, Leipzig, Deutschland.