Sue Williamson, Truth Games, 1998

Die Künstlerin Sue Williamson (*1941 in Lichfield, Vereinigtes Königreich) begann sich Mitte der 1990er Jahre – eine Schwellenzeit für Südafrika, die das Ende der Apartheid und den Beginn der Demokratie bedeutete – mit der Rolle des Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission, TRC) auseinanderzusetzen. Jene südafrikanische Kommission, die beauftragt wurde, Menschenrechtsverletzungen, die zwischen 1960 und 1994 begangen wurden, zu untersuchen und so zur nationalen Bewältigung der Apartheid beitrug. Im Rahmen ihrer Recherche sammelte Williamson Abbildungen und Ausschnitte von Transkripten von damals aktuellen Fällen, die in der Serie Truth Games resultierten.

Truth Games wurde 1998 fertiggestellt und umfasst zwölf interaktive Werke, von denen zwei Teil der Sammlung der Stiftung Reinbeckhallen sind. Die der Serie zugehörigen Arbeiten haben besondere formale und konzeptionelle Qualitäten gemeinsam: Die Hintergründe, überlagert von zehn horizontalen Lamellen, bestehen jeweils aus drei unscharfen Bildern, die von links nach rechts die Ankläger*innen, das fragliche Verbrechen und die Verteidiger*innen darstellen. Auf den Lamellen sind verschiebbare Tafeln angebracht, die Phrasen aus den vorab gesammelten Ausschnitten tragen. Durch das eigenständige Verschieben werden die Betrachtenden eingeladen, sich nicht nur direkt mit dem multimedialen Werken und ihren möglichen Lesarten auseinanderzusetzen, sondern auch zu hinterfragen, inwieweit die Zeugnisse der Wahrheits- und Versöhnungskommission wirksam waren die Wahrheit aufzudecken und dem Land zu helfen voranzukommen.

Sue Williamson
Graca Machel - provoked disaster - Magnus Malan,
1998

Teile der Serie befassen sich auch mit spezifischen Fällen, die vor die Kommission gebracht wurden. So präsentieren die Werke mit den Titeln Graca Machel – provoked disaster – Magnus Malan und Nkosinathi Biko – false medical certificate – Dr. Benjamin Tucker zwei hochkarätige Fälle: Zum einen den Tod der mosambikanischen Präsidentin Samora Machel und zum anderen des Führers des Black Consciousness Movement Steve Biko.

Das erste Werk zeigt die Frau von Machel, Graca Machel, die glaubte, dass die South African Defence Force und der ehemaliger Chef General Magnus Malan, in den Flugzeugabsturz, bei dem ihr Mann ums Leben kam, involviert war, obwohl Malan dies bestritt. Das letztere Werk porträtiert Nkosinathi Biko und Dr. Benjamin Tucker. Dr. Tucker unterzeichnete eine Sterbeurkunde mit der er Bikos Vater einen natürlichen Tod attestierte, obwohl er während der Haft mehrere tödliche Schläge auf den Kopf erhalten hatte. In beiden Arbeiten dienen die zentralen Bilder, der Ort des Flugzeugabsturzes und der Grabstein von Biko, sowohl als Aufdeckung als auch als Erinnerung an die Gräueltaten, die während der Apartheid in Südafrika verübt wurden.

Dr. Candice M. Hamelin


Sue Williamson wurde in Großbritannien geboren. Im Jahr 1948 wanderte sie mit ihrer Familie nach Südafrika aus, wo sie seit den späten 1970er Jahren die südafrikanische Gesellschaft und die sie prägenden historischen Ereignisse untersuchte. Ihre Werke waren in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit zu sehen; zuletzt in All our Mother’s (Goodman Gallery, London, 2022) und The Sum of All Parts (Museum of Modern Art, New York, 2020). Darüber hinaus sind Williamsons Arbeiten unter anderem in folgenden Sammlungen vertreten: Tate Modern, London; Victoria & Albert Museum, London; Centre Pompidou, Paris; Daimler Collection, Berlin; Iziko South African National Gallery, Kapstadt und in der Johannesburg Art Gallery, Johannesburg.

Williamson lebt und arbeitet in Kapstadt, Südafrika.