"Film ist Kunst" proklamierte das einstige Kubanische Institut für Filmkunst und Filmindustrie, kurz ICAIC. Junge kubanische Filmschaffende greifen diese Programmatik nunmehr auf − und führen sie im eigenen Stil kritisch fort.
Die Muestra de Nuevos Realizadores umgibt eine Atmosphäre von Debatten zu aktuellen Landesthemen. Seit 2001 präsentiert das Filmfestival Kubas aufstrebende Produzenten und Regisseure. Die dort aufgeführten Filme zeichnen die offizielle Geschichte, die einst der ICAIC vorgab, künstlerisch kritisch nach. Als Kubanisches Institut für Filmkunst und Filmindustrie prägte er das kubanische Kino seit dem 24. März 1959 im Geist der Revolutionsbewegung. In den 1990er Jahren stand es vor dem wirtschaftlichen Ruin. Die Produktionskosten waren nicht zu halten, zahlreiche Filmschaffende wanderten ab.
Humberto Solás, eine Ikone des revolutionären Kinos, belebte mit Miel para Oshún die kubanische Filmindustrie neu: Es war der erste mit digitaler Technologie in Kuba gedrehte Spielfilm. Dieser Erfolg gab den Anstoß zur Preissenkung der Kosten und gewissermaßen zur Demokratisierung des Kinophänomens in Kuba. Auf der ersten Muestra de Nuevos Realizadores waren 2001 die vielversprechendsten Regisseure des Landes vertreten. Die Kritik lobte die ausgewählten Werke, viele wurden nachträglich prämiert.
Die Auszeichnungen galten insbesondere der künstlerischen Qualität der Filme, die sich achtsam mit den aktuellen gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzten. Der Kurzfilm Adela von Humberto Solás ist ein in seiner Intensität und Ehrlichkeit beeindruckendes Werk, das die tabuisierten Themen des Landeskinos bespielhaft spiegelt − namentlich Kubas Beteiligung am Bürgerkrieg in Angola. Es war das letzte Werk des 2008 verstorbenen Regisseurs. Im Rahmen der Ausstellung Otro amanecer en el trópico zeigen die Reinbeckhallen Adela neben einer Auswahl fünf weiterer Kurzfilme nun exklusiv vor deutschem Publikum, teils im Original in spanischer Sprache (OV), teils mit Untertitel (OmU).
The selected material is representative of the cinema made in Cuba in the past few years. They generally approach “definitive” themes left behind by the official history put forward by ICAIC, which, since March 24, 1959, is the institution responsible for the revolutionary cinema.
In 2001 the first full-length film was made with digital technology in Cuba, Miel para Oshún, of the master and founder of the revolutionary cinema, Humberto Solás. He brought along with him lower costs and, somehow, the democratization of the phenomenon of Cuban-made cinema. The New Filmmakers exhibition starting on 2001 has become a place for debate and updating around themes of national interest. It has presented some of the country’s most promising filmmakers. There, the selected works have met an excellent reception, almost all of them having received awards, for approaching, with artistic quality and rigour, several contemporary matters concerning our society.
Adela, made by Humberto Solás, is the last work released by this master of cuban cinema. It is essential for the sincere and profound way it approaches one of the neglected themes of national cinema, the Cuban in the war in Angola.
Filmprogramm | film program
Adela (dt./en.: Adela | Adela) | Humberto Solás
Fiktion 2005 | 15’
Eine Mutter leidet am Verlust ihres Sohnes, welcher dem angolanischen Bürgerkrieg zum Opfer fiel. Sie berichtet in Erinnerungen an ihn, bis sie seine Abwesenheit akzeptieren lernt.
A mother suffers the loss of her son in the war in Angola and converses with her memories until the acceptance of her loss.
Afuera (dt./en.: Draußen | Outside) | Vanessa Portieles & Yanelvis González
Fiktion | HDV | 2012 | 22’
Als Ángel aus dem Gefängnis kommt, möchte er sein altes Leben in der Strafanstalt zurücklassen und ein neues mit seiner Familie beginnen − mit Mirta, seiner Frau, und Yadira, seiner Stieftochter. Er findet sich jedoch als Gefangener seines einstigen Lebens in einem bedrückenden Alltag wieder. Nun ist Sommer in Havanna und Ángels Familie möchte nach Miami ziehen. Ángel erlebt den qualvollen Kampf zwischen dem, was er möchte und dem, was er soll − bis zum Punkt, in dem die Lebensrealität ihn dazu treibt, um seine eigene Freiheit zu kämpfen.
Ángel comes out of jail seeking to leave behind its universe and looking for a new beginning with his family: Mirta, his wife, and his stepdaughter Yadira. But he finds himself tied down to his old life, in a terrible social reality and within himself. The summer of 1994 goes on in Havana. Ángel’s family wants to leave the country for Miami. He lives in agony between what he must and what he wants to do, until reality drags him on to a fight for his own freedom.
Los bañistas (dt./en.: Die Schwimmer | The Swimmers) | Carlos Lechuga
Fiktion | HD | 2011 | 14’
In einem kleinen kubanischen Dorf stellt ein Schwimmlehrer kurz vor der Unterrichtsstunde fest, dass der Swimmingpool trockengelegt ist. Sein Ziel ist, die widerspenstigen Kinder zur Landesmeisterschaft zu qualifizieren und er wird alles tun, dies zu erreichen. Seine Suche nach Wasser beginnt.
In a small Cuban village, a swimming teacher about to start class finds an empty pool. His goal is to lead his students, unruly children, to the national level, and he will do whatever it takes to make it. That is how his journey for water begins.
Nani y Tati (dt./en.: Nani und Tati | Nani and Tati) | Adolfo Mena Cejas
Fiktion | HDV | 2012 | 20’
Nani und Tati sind zwei von Krankheit geplagte Geschwister, die auf ihre gegenseitige Hilfe angewiesen sind. Sie streiten sich oft, da beide überzeugt sind, die eine hätte es härter getroffen, als die andere und keine von ihnen auf die Bitten der anderen eingehen möchte.
Nani and Tati are two ailing sisters who need to help each other, but they have a fatal rivalry. Each one of them believes to be worse off and none will give in to the other’s requests.
Velas (dt.: Kerzen | Candles) | Alejandro Alonso Estrella
Doku-Fiktion | 2014 | 20’
Seit ihrer Hochzeit vor sechzig Jahren leben Olga und Enrique zusammen in einem Haus. Angesichts ihrer Zweifel an allem Gegenwärtigen, dem was real und echt ist, bleibt ihnen nur das Warten und die Erinnerungen.
Olga and Enrique live on their own in the house they have been sharing for 60 years since they got married. In disbelief of the present, their life has been reduced to waiting and remembering.
La profesora de inglés (dt.: Die Englischlehrerin | The English Teacher) | Alan González
2014 | HD | 15’
Erschöpft von der tödlichen Krankheit ihres Mannes versucht Sonia, 65, ihre Lehrtätigkeit als ehemalige Englischlehrerin wieder aufzunehmen. Währenddessen ahnt ihr Sohn nichts davon und wird selbst Lehrer. Sonia sehnt sich nach Freiheit.
Tired and exhausted by her husband’s terminal disease, Sonia, a former English teacher, 65 years old, tries to resume her classes. Meanwhile, her son ignores the situation and has a successful teaching career. Sonia strives to be free.